Streit auf der Sachebene statt auf der Beziehungsebene


Ich treffe oft Paare, die über alltägliche Dinge streiten: den Mülleimer, der vergessen wurde zu schließen oder wenn ein Partner vergessen hat, zu sagen, wenn man später kommt. Oder wenn einer sich ärgert weil der Andere wieder zu viel mit seinem Handy oder mit seinem Gamen beschäftigt ist. Wir alle kennen diese kleinen Ärgerlichkeiten in einer Beziehung.
In den meisten Fällen kann ein Paar diese Frustrationen im Guten beheben. In anderen Fällen können sich diese Kleinigkeiten zu ernsthaften Streitigkeiten entwickeln, bei denen der eine das Gefühl hat, dass der andere nicht zuhört oder die eigenen Bedürfnisse nicht respektiert. Dann werden diese "Petitessen" zum Ausgangspunkt für einen schmerzhaft eskalierenden Konflikt, in dem die Beziehung am Ende ins Wanken gerät.
Paare versuchen oft, diese Probleme auf der praktischen oder der Sachebene zu lösen indem sie den Anderen mit ihrer eigenen Perspektive zu überzeugen versuchen. Das Ehepaar bleibt dann jedoch häufig in gegenseitigen Anschuldigungen stecken, denn das Problem liegt eigentlich auf tieferer, auf der Beziehungsebene, die aber nie zur Sprache kommt, weil es dafür in der Beziehung oft keine Sprache gibt. Die Sachebene ist dann "kontaminiert" mit unbenannten Verletzungen und unausgesprochenen Bedüfnissen. Dies macht es oft auch unmöglich die Probleme der Sachebene zu lösen und jede Kleinigkeit bietet Gelegenheiten, das Muster der Missverständnisse zu wiederholen. Die Folgen sind andauernde Missverständnisse, die in Anklagen, Kränkungungen und Rückzug enden. Gefühle von Frustration und Hoffnungslosigkeit (weil man sich nicht wirklich erreicht) beginnen sich dann in die Beziehung einzuschleichen und Fuß zu fassen. Und auf diese Weise kann es lange zugehen. Zu lange.


Das Problem mit der "Mülltonne" hat eben mehrere Böden; ) Die Lösung des Problems existiert allerdings nicht auf der praktischen oder der Sachebene, sondern befindet sich tatsächlich auf emotionaler oder bindungsbezogener Ebene. Dass die "Mülltonne" oder "die Socken auf dem Boden" zu einem Problem für die Beziehung geworden sind, zeigt dann, dass es tiefere, unausgesprochene emotionale Bedürfnisse gibt, die von dem Paar nicht benannt, erkannt und dadurch auch nicht direkt kommuniziert werden können. Eine Lösung kann deswegen nicht stattfinden.


Wir Menschen haben leider die erschwerende Eigenschaft, dass wir unsere Bindungsbedürfnisse häufig indirekt kommunizieren. Diese unausgesprochenen und oft unbewussten emotionalen Bedürfnisse werden indirekt durch Anklage oder durch die "Socken auf dem Boden" vermittelt. Der Grund ist häufig, dass es sicherer ist, seine Verletzlichkeit und seine Bedüftigkeit hinter einer anklagenden und kritisierenden Version von uns selbst zu verbergen. Das Problem dabei: Der Partner versteht die versteckte Absicht nicht und die Botschaft kommt auf eine Weise an, die unser Anliegen sabotiert. Wenn man z.B, ständig seinen Partner kritisiert weil seine Socken auf dem Boden liegen, aber eigentlich liegt dahinter das Gefühl, dass man sich in der Beziehung für die Haushaltsarbeit nicht wert geschätzt fühlt. Dies führt am Ende dazu, dass der Partner sich zurückzieht oder gar die erlebte Abschätzung wiederum zurückschickt. Am Ende fühlen sich beide unverstanden und nicht gewertschätzt.


Der Paartherapeut hat dann die Aufgabe gemeinsam mit dem Paar diese unausgesprochenen Bedürfnisse und Gefühle sichtbar zu machen und zu verbalisieren. Er versucht dann das Paar davon zu überzeugen, dass es zielführender ist, diese Bedürfnisse auf direkte, verantwortungsvolle und damit effektive Weise zu kommunizieren. Ziel ist es, dass wir die Fähigkeit entwickeln, uns dieser Bedürfnisse bewusst zu werden, und dass wir es wagen, mit unserem Partner darüber zu sprechen. Auf diesem Weg schaffen wir Vertrauen in der Beziehung.


Schließlich haben wir alle das gleiche Bedürfnis, uns gesehen, bestätig, geschätzt und respektiert zu fühlen.

Das ist der Grund, auf dem wir alle in einer Beziehung stehen.


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